Eine Zeitmaschine muss her. Auch wenn es sonst wenig Gründe geben mag, sich in die Epoche von 1925 bis 1939 zurückzubeamen, aber den Weigelschen Gasthof hätte ich gerne mal in dieser Zeit erlebt. Und wenn’s denn eine etwas billigere Zeitmaschine wäre, dann bitt’schön wenigstens 30 Jahre zurück.
Nicht, dass Gernot Baumann, der die Gaststätte 1982 gepachtet hat (zwischenzeitlich neue Pächter, siehe unten), nichts aus dem Lokal gemacht hätte. Aber gegen den bald darauf fertiggestellten Frankenschnellweg, welcher direkt nebenan verläuft, ist nunmal akustisch kaum ein Kraut gewachsen (evtl. Live-Musik, aber nix unplugg’des).
Und noch früher, eben in jener oben angesprochenen Phase, da war die Autobahn noch flüssig und hieß König-Ludwig-Kanal. Zwischen Doos und Kronach verkehrte die aus 3 Schiffen bestehende „Weigelsche Flotte“ – bekannt als die Schlagrahmdampfer -und schaffte so die kaffeetrinkende Kundschaft herbei.
Der Besuch am vergangenen Sonntag (4 Erwachsene, 1 Kind) begann zunächst mal verwirrend. Wenn man vom Kronacher Wendeplatz aus durch den mit einem großen Biergarten-Schild überbogten Durchgang schreitet, findet man sich in grüner, halbverwildeter Landschaft wieder. Wo mutiges Weiterlaufen und anschließend sofortiges Rechtsabbiegen das erwartete Ziel gezeigt hätte, machten wir kehrt und nahmen den „Hintereingang“ durch die Gaststätte.
Hier vergewisserten wir uns zunächst, ob auch wirklich offen sei; wir schienen zu diesem Zeitpunkt die einzigen Gäste zu sein. Kurz nachdem wir im Garten Platz genommen hatten, stieß noch eine Gruppe Radfahrer hinzu und die mutmaßliche Tristesse verpuffte.
Das Idyll aus vergangenen Zeiten lässt sich noch heute erahnen, wenn man es im Weigelschen Biergarten sitzend schafft, das stete Rauschen der A73 auszublenden und sich dafür gelegentlich eine Schiffs-Sirene einbildet. Schwerhörige haben’s da leichter, denn optisch ist am gesamten Ambiente überhaupt nichts auszusetzen: Die Gartentische und Stühle stehen schattig unter zahlreichen Bäumen, vorne auf der Terasse hat’s schwere Holztische und Bänke, hier und da noch ein Sonnenschirm dazwischen und an den Garten angrenzend eine Wiese, die wohl bei starkem Betrieb ebenfalls mitgenutzt wird.
Die Karte bietet klassische deutsche Gerichte, ergänzt durch lokale Spezialitäten.
Das bestellte Essen kam in normaler Zeit und war durchweg einwandfrei. Das Wiener Schnitzel, ein Schweineschnitzel Wiener Art sowie Schäuferla und Schweinelendchen überzeugten bei angemessenen Preisen. Bedient wurde aufmerksam und nett; dem Kind wurde vom Wirt ein Eis spendiert.
Alles in allem ein durchweg feiner Biergarten mit angenehmen optischen Nuancen, Zunge und Gaumen schmeichelnden Aromen, dabei im Ohr leider ständig etwas autobahnlastig.
Vielleicht sollte man einfach nochmal hin, wenn mehr los ist und das fröhliche Geschnatter zahlreicher Besucher (oder die PA einer Band) den Verkehr übertönen.
Ergänzung v. 6.10.2012
Die Biergarten-Tester wurden von den neuen Pächtern (Andreas und Stephan Gering) heute über den Pachtwechsel (undzwar auschließlich) informiert. Weitere Infos, sobald bekannt, bzw. sobald getestet.
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